05.08.2018, E. M. Magnis: „Gott braucht Dich nicht – eine Bekehrung“ (4/5)
Wie kann Gott das zulassen?
Gott braucht Dich nicht – eine Bekehrung
Autor: Esther Maria Magnis
Taschenbuch, 240 Seiten
Rowohlt Taschenbuch Verlag, 24. Mai 2014
ISBN 3499624362
Vorgeschichte: Ich wurde durch eine Rezension in einer christlichen Zeitung auf das Buch aufmerksam. Der Rezensent hat das Buch so sehr über den grünen Klee gelobt, dass ich neugierig geworden bin.
Inhalt: Bei dem autobiographischen Roman handelt es sich um das Erstlingswerk der heute 37jährigen Wahl-Berlinerin. Der geschilderte Zeitraum umfasst die ersten 24 Lebensjahre der Autorin, die mit dem Krebstod von Vater und Bruder zwei schwere Schicksalsschläge erleidet. Im Zentrum des Buchs steht die Frage nach Gott, untrennbar verknüpft mit der Frage nach dem Leid. Wie kann ein liebender Gott so etwas zulassen? Wie kann er schweigen, während all das passiert?
Erzähltechnik: Wortwahl und Satzbau sind ungewöhnlich, poetisch, faszinierend. Die Ereignisse werden in der Vergangenheit erzählt, aus der Perspektive einer Ich-Erzählerin und mit einer entwaffnenden Ehrlichkeit, über die der Leser bei aller Tragik oft schmunzelt. In kurzen Sätzen beschreibt die Autorin ihre innersten Gedanken und Gefühle und schont weder Gott noch sich selbst, wenn sie Schlaglicht-artig einzelne Episoden aus ihrem Leben schildert und sie um philosophische Einschübe oder Selbstgespräche anreichert, die zu Gebeten werden und sich ausdehnen, nachhallen, durch Mark und Bein gehen.
Suchtfaktor: Das Buch macht nicht süchtig. Stattdessen schreit es sein Leiden laut hinaus, und im Angesicht des Gottes, der dieses Leid zulässt und auf sich nimmt, wird der Leser leise, demütig und dankbar. Das Buch lädt dazu ein, Prioritäten neu zu setzen, Gottesbilder zu hinterfragen, scheinbare Selbstverständlichkeiten neu zu bewerten. Aus meiner Sicht ein geringer Sucht-, aber ein extrem hoher Sinnfaktor.
Was bleibt: ein verstörendes Gefühl der Fremdheit. Das Buch zerstört Illusionen ebenso wie gängige Gottesbilder. Es lässt den Leser nackt und bloß im Angesicht eines Gottes zurück, den er weder versteht noch verstehen kann, weil das in „der Kirche“ vermittelte spießige und harmlose Gottesbild krachend durch jeden Realitätscheck fällt.
Fazit: ein sehr lesenswertes Buch, fragil, authentisch, ehrlich bis zum Fremdschämen. Ich mag den Schreibstil der Autorin, ich mag den Mut und den Intellekt, mit dem die Autorin dem christlichen Gott begegnet und ihn letztendlich für sich findet. Keine leichte Kost, kein seichtes „Happy-Clappy“, stattdessen ein rücksichtsloses Ringen um existenzielle Fragen, wofür ich 4 von 5 Sternen vergebe. Definitiv kein Buch für den Strandurlaub, aber ein Muss für jeden, der sich auch nur wenig für christliche Religion interessiert.
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